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Der letzte Weg nach Osten

von Ralitsa Domuschieva

Schon wenige Minuten auf der Putlitzbrücke vermögen ein Gefühl der Unendlichkeit zu erzeugen. Der Blick verliert sich entlang den Schienensträngen, gleitet über die windigen Becken und Kanäle des Westhafens. Auf mittlerer Höhe der langen, flachen Brücke erhebt sich am Rand eine gefaltete eiserne Treppe, die nach oben, gen Himmel strebt – das Deportationsmahnmal des Künstlers Volkmar Hase. Es erinnert an die „Osttransporte“ von tausenden Berliner Juden über die Gleise des ehemaligen Güterbahnhofs Putlitzstraße in die Vernichtungslager. Eine Inschrift auf der Gedenkplatte mit dem Davidstern lautet: "Symbol des Weges, der kein Weg mehr war. Für die, die über Rampen, Gleise, Stufen und Treppen diesen letzten Weg gehen mussten."

Noch ein paar Schritte weiter auf der Brücke und dann die Stufen hinab erreicht man einen schmalen Kopfsteinpflasterweg, der noch heute in einigen Karten als Deportationsweg bezeichnet wird und früher die Quitzowstraße mit dem Güterbahnhof Putlitzstraße verband. Zwischen 1942 und 1945 wurden 21.000 jüdische Berliner zunächst mit Lastwagen auf das Gelände gebracht, dann zu Fuß in Marschkolonnen bis zum Bahnhof getrieben und in Viehwaggons verladen. Fahrtziel war das Ghetto von Riga, die Züge der Deutschen Reichsbahn rollten aber auch direkt ins Vernichtungslager von Auschwitz. Kaum einer der Deportierten kehrte von dieser Reise zurück. Von den Rampen und den Gleisen des Güterbahnhofs ist heute nichts mehr zu sehen, nur am Ende des Deportationsweges versinken die letzten Reste des Gleises 69, von dem aus die Züge nach Osten abfuhren, im Asphalt.

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